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Der deutsche Auswanderer Thomas Nast war im 19. Jahrhundert der politisch einflussreichste Karikaturist der USA. Seine bekannteste Figur ist aber ein alter Mann mit Rauschebart, der Geschenke verteilt - an Kinder und Soldaten im Feld.
Der Offizier hat die Hand noch am Säbel, neben ihm steht ein junger Soldat, der mit seiner Mütze wedelt. Beide warten zwischen Kameraden und blicken zu einem bärtigen Alten, der auf einer Art Feldbett sitzt und jedem Uniformierten ein Geschenk reicht. Um die Schultern trägt der freigiebige Gast keinen feuerroten Mantel, sondern das Sternenbanner - Symbol der Nordstaaten im US-Bürgerkrieg. Die Bildunterschrift lautet: "Santa Claus in Camp". Erschienen ist diese Zeichnung im Januar 1863 auf der Titelseite des beliebten Magazins "Harper's Weekly", und gefertigt wurde sie von dem damals 22-jährigen Thomas Nast. Der gebürtige Landauer legte mit diesem Bild den Grundstein für einen Figurenmythos - der Zeichner wurde zu einer Art Vater des modernen Weihnachtsmannes.
Geburt in der Roten Kaserne
Dass einer der ersten Auftritte von "Santa Claus" unter Soldaten war, passt dabei absolut in Nasts Biografie. 1840 wird er als Sohn eines Militärmusikers in der Roten Kaserne in Landau geboren. Die Familie lebt in ärmlichen Verhältnissen. Die Weihnachtsfeste in der Kaserne sind jedoch prägend für Nast - vor allem erinnert er sich stets an den Mann, der die Geschenke bringt: den Belzenickel. "Diesen pfälzischen Nikolaus hat er sich zum Vorbild für seinen ,Santa Claus' genommen", sagt Hans-Joachim Schatz, der für den Landauer Thomas-Nast-Verein alles über den berühmtesten Sohn der Stadt sammelt.
Nast lebt nicht lange in Landau. Weil seine Eltern in den USA bessere Chancen sehen, wandern sie mit dem damals sechsjährigen Sohn 1846 in die USA aus und wohnen fortan in New York. Die pfälzische Heimat und die ersten Lebensjahre in der Roten Kaserne vergisst Nast aber nie. Seinem Biografen Thomas Bigelow Paine erzählt er kurz vor seinem Tod, dass er gerne aus Wachs kleine Soldaten formte. Als Belohnung für diese feinfühlige Arbeit bekam er Kekse. Über den Nasts wohnende Damen ließen das Naschwerk an Fäden zu dem Kind herunter.
Als Jugendlicher kann Nast für die Arbeit seiner feinen Hände dann schon mehr verlangen als Kekse. Sein Talent als Zeichner ist unverkennbar. Mit 15 Jahren bekommt er eine Anstellung bei der illustrierten Wochenzeitung "Leslie's". Dabei will deren Herausgeber Frank Leslie dem nassforsch auftretenden Bewerber eigentlich nur eine Lektion erteilen. Nast soll als Probearbeit eine der New Yorker Fähren mit vielen Menschen an Bord und dem Hafen im Hintergrund zeichnen. Leslie ist sicher, dass dies eine viel zu schwierige Aufgabe für so einen Jungen wird. Doch zu seinem Erstaunen liefert Nast eine brillante Zeichnung ab - und statt einer Standpauke bekommt er vom Herausgeber fortan vier Dollar Wochenlohn.
Vier Jahre arbeitet Nast bei "Leslie's", ehe ihn ein Auftrag der "New York Illustrated News" zurück nach Europa bringt. Zwei Jahre reist er über den Kontinent von England bis Italien - und sieht auf dem Weg auch ein letztes Mal seine Heimatstadt Landau, wo ihm aber alles "sehr klein" vorkommt. Kurz nachdem er in die vom Bürgerkrieg gebeutelten USA zurückkehrt, bekommt er 1862 eine Anstellung bei der Zeitschrift, die sein Berufsleben prägen wird: "Harper's Weekly".
Für das Blatt der Brüder Harper zeichnet Nast in den kommenden fast drei Jahrzehnten seine berühmtesten Bilder - viele werden zu nationalen Ikonen: Esel und Elefant als Wappentiere der Demokraten und Republikaner gehen auf seine politischen Karikaturen zurück. Das Dollarzeichen wird durch Nast populär, ebenso wie die Figur des "Uncle Sam", die auf den Rekrutierungsplakaten der Armee ("I want you for U.S. Army") ihren Zeigefinger ausstreckt. "Nast hat die politische Karikatur quasi aus der Taufe gehoben", sagt Hans-Joachim Schatz. Doch die zweifellos "unsterblichste" Figur ist und bleibt "Santa Claus".
70 Zeichnungen mit Santa
Etwa 70 Mal hat Nast den bärtigen Alten gezeichnet. In den Anfangsjahren sieht er manchmal noch etwas bedrohlich aus - schließlich war der pfälzische Belzenickel im Kern auch eine strafende Figur. In späteren Werken ist Nasts "Santa Claus" hingegen nur noch der gutmütige, pausbackige Herr, der Päckchen verteilt. Nur ganz gelegentlich taucht der Weihnachtsmann auch in politischen Karikaturen Nasts auf: Wenn er dem Kongress die Leviten liest und den Abgeordneten droht, dass es dieses Jahr keine Geschenke für sie gibt.
Geschenke hat Nast im Herbst seines Lebens auch nur noch wenige erhalten. Mit dem Weggang von "Harper's Weekly" 1886 setzt bei ihm eine Pechsträhne ein. Er verliert sein ganzes Vermögen bei zwielichtigen Geschäften, das Zeichnen fällt ihm wegen einer Handverletzung immer schwerer. Aus Dankbarkeit für seine Verdienste gibt ihm US-Präsident Theodore Roosevelt 1902 die Stelle eines Konsuls in Ecuador. Doch nur wenige Monate nach seiner Ankunft stirbt Thomas Nast in dem fernen Land - am Morgen nach dem Nikolaustag.