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Wie Song Xi „Bettina“ wurde

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Frankfurt. Hilfe aus Fernost: Ein Verband will 150 chinesische Pflegekräfte nach Deutschland holen. Die ersten fünf sind schon da. In Frankfurt machen sie den Praxis-Test. Ihr Name ist eigentlich Song Xi, aber im Frankfurter Pflegeheim "Curanum" nennen sie die Menschen nur Bettina. "Das können meine Patienten sich einfach besser merken", sagt die Chinesin Song Xi und muss lachen. Den Namen Bettina hat die 25-Jährige von ihrem Deutschlehrer bekommen. Die Sprache lernt sie aus einem bestimmten Grund: Seit dem 7. Januar ist sie eine von insgesamt fünf Chinesinnen, die als erste Pflegekräfte überhaupt aus ihrem Land in Deutschland arbeiten. Pilotprojekt gestartet Song Xi nimmt an einem Pilotprojekt des Arbeitgeberverbandes Pflege und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände teil. Das Ziel: Bis Ende des Jahres sollen in Hessen, Baden-Württemberg und Hamburg je 50 chinesische Pflegefachkräfte eingesetzt werden. "In Deutschland fehlen ambulanten Diensten und Pflegeeinrichtungen bereits heute 30 000 ausgebildete Fachkräfte. In naher Zukunft werden wir den steigenden Bedarf nicht decken können", sagt Thomas Greiner, Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege. Den Kontakt zu den Pflegekräften stellte die chinesische Botschaft her. Bevor für Song Xi das Abenteuer Deutschland begann, musste sie noch einige Hürden absolvieren. Neben dem Bachelor-Abschluss und einem einjährigen Pflegepraktikum standen in China auch ein achtmonatiges interkulturelles Training und eine Sprachausbildung auf dem Programm. Personalleiterin Elke Bachmann-Görl, die bei einer Reise die fünf Chinesinnen kennenlernte, hat ihre Wahl nicht bereut: "Ich bin von den Frauen begeistert. Sie sind sehr lernwillig und verbreiten chinesische Lebensfreude im Seniorenheim." Und wie sieht es mit der Bezahlung aus? "Wir vergüten sie angemessen und marktüblich, analog zu ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen", sagt Bachmann-Görl. Das Gehalt für eine Pflegekraft in Deutschland beträgt im Durchschnitt rund 2400 Euro brutto. In China würden die Frauen zwischen 500 und 600 Euro verdienen. Auch Song Xi hat ihre Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, nicht bereut. "Die Deutschen sind sehr freundlich, und ich bin bisher sehr zufrieden." Heimweh habe sie nur in der Nacht, am Tag habe sie genug zu tun. Obwohl sie montags bis donnerstags bis zu vier Stunden Deutsch lernt, will sie die Sprache weiter verbessern. Noch mindestens ein Jahr möchte Song Xi in Deutschland bleiben, anschließend will sie in die Heimat zurück. Die Bewohner mögen sie: "Wir verstehen uns gut, es ist schön, mit ihr zu reden", bestätigt Anna Wagner, nachdem sie von "Bettina" nach dem Mittagessen in ihr Zimmer gefahren wurde. Die ältere Dame hat bisher keine Sprachbarrieren bei der Pflegerin festgestellt. Sie sagt: "Wenn ich langsam rede, dann geht es ohne Probleme." Die nächsten Helfer aus Fernost stehen bereits in den Startlöchern: Im April kommen weitere 50 Pflegekräfte, um in den drei Bundesländern zu arbeiten. Obwohl fast ausschließlich Frauen diesen Berufsweg in China einschlagen, ist nach Auskunft von Bachmann-Görl dieses Mal auch ein Mann dabei. Studie sieht hohen Bedarf "Wir wissen, dass dies keine endgültige Lösung sein kann, um den Mangel an Pflegekräften zu beheben", sagte Greiner. Dennoch sei er von der Idee überzeugt. "Wenn das Projekt über mehrere Jahre läuft, könnte die Zahl an Arbeitskräften aus dem Ausland weiter vergrößert werden." Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2012 könnten in Deutschland im Jahr 2030 rund eine halbe Million Vollzeit-Pflegekräfte fehlen.

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