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Main-Tauber-Kreis. Ein ungewöhnlicher Erbstreit könnte ein Fall für die Gerichte werden. Nach Informationen unserer Zeitung soll es dabei um eine Summe von mindestens vier Millionen Euro gehen, auf die die Belegschaft einer Firma und ein Adoptivsohn Anspruch erheben.
1989 hatten der Inhaber eines mittelständischen Unternehmens im mittleren Taubertal und dessen zweite Frau ein gemeinschaftliches Testament ("Berliner Testament") verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten. Weiter verfügten sie, dass mit dem Tod des zuletzt Verstorbenen der Nachlass an die Firmenbelegschaft fallen solle.
"Auf den Tod des Längerlebenden und im Falle gleichzeitigen Versterbens setzen wir als Erben die Gesamtheit der Mitarbeiter .... ein", heißt es wörtlich in dem handschriftlich verfassten Nachlassdokument, das den Fränkischen Nachrichten vorliegt.
Adoption erst im zweiten Anlauf
Nach dem zwischenzeitlichen Verkauf der Firma Anfang der 1990er Jahre und dem Tod des ursprünglichen Firmenchefs 1994 sollte das Testament zunächst weiter Bestand haben - auch als der Mitarbeiter eines Kreditinstitutes der Witwe anbot, sich fortan um deren Finanzangelegenheiten zu kümmern und das dann wohl auch tat. Im April 2000 hat die kinderlose Unternehmerin den damals über 50 Jahre alten Mann adoptiert. Das Amtsgericht Tauberbischofsheim hatte den Antrag auf Annahme als Kind zurückgewiesen. "Korrigiert wurde diese Entscheidung dann durch das Landgericht Mosbach", teilte die dortige Pressesprecherin Dr. Barbara Scheuble auf FN-Anfrage mit.
"Wie die eigenen Kinder""Zu Lebzeiten ihres Mannes wäre der nie auf die Idee gekommen, fürs Finanzielle jemand von außen hinzuzunehmen. Ich vermute, dass die Witwe nach dem Tod ihres Mannes jemand Starkes an ihrer Seite gebraucht hat", mutmaßt die Frau eines langjährigen Beschäftigten der Firma, die mit dem Unternehmensboss sehr gut bekannt war. Den ehemaligen Besitzer beschreibt sie als jemand, "für den die Arbeiter wie die eigenen Kinder waren". Er habe zu den Beschäftigten ein inniges Verhältnis gehabt, nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe.
Neues Testament
Im Juli 2001 wurde von der Unternehmerwitwe ein neues Testament verfasst. Im Mai 2012, wenige Wochen, nachdem die Frau im Altkreis Mergentheim gestorben war, wurde es eröffnet. Darin hat sie frühere Verfügungen widerrufen, es liegt unserer Zeitung ebenfalls vor.
Von der Belegschaft - etwa 80 Personen - war nicht mehr die Rede. "Ich kann mir den Sinneswandel der Frau nicht erklären", wundert sich die bereits zitierte Ehefrau des langjährigen Beschäftigten im FN-Gespräch. Auch andere frühere Mitglieder der Belegschaft rätseln. Die Änderung des Testaments sehen sie als "moralisch äußerst bedenklich" an.
Die Belegschaft will aber nicht klein beigeben. Sie hat die Würzburger Rechtsanwaltskanzlei Bildl, Klein & Kollegen eingeschaltet.
"Kaum zu glauben"
Was den Erbstreit angeht, so ist inzwischen das Landgericht Ellwangen zuständig. Sowohl der von der Unternehmerin als Erbe eingesetzte Adoptivsohn als auch die Belegschaft des Unternehmens haben einen Erbschein-Antrag gestellt.
Der ursprüngliche eingesetzte Nachlassrichter in Boxberg hat sich für örtlich nicht mehr zuständig erklärt, da die Erblasserin im Altkreis Mergentheim starb. Der dann eingesetzte Nachlassrichter in Niederstetten hat sich für befangen erklärt. Gegen ihn war gleichzeitig von der Würzburger Kanzlei ein Befangenheitsantrag gestellt worden. Darüber wird das Landgericht Ellwangen in absehbarer Zeit entscheiden.
Der von der Verstorbenen eingesetzte Erbe wollte den Fränkischen Nachrichten auf Anfrage weder selbst noch über seinen Rechtsvertreter eine Stellungnahme abgeben. Gegenüber unserer Zeitung meinte er lediglich: "Ich bin nicht gewillt, Auskunft zu geben. Das geht niemanden etwas an. Ich muss niemandem Rechenschaft ablegen. Ich führe nur aus, was der Wille der Dame war."