![]()
London. In manchen Souvenirläden der Londoner Innenstadt steht mittlerweile zwischen dem Big Ben aus Plastik und der typisch roten Telefonzelle als Spardose jeweils ein Minimodell der berühmtesten Megagebäude der Metropole.
Zum Beispiel der "Shard" von Architekt Renzo Piano - mit 306 Meter der derzeit höchste Wolkenkratzer Westeuropas. Oder das auffällige "Gherkin" von Norman Foster - die beiden Glastürme sind laut einer Umfrage die beliebtesten Wolkenkratzer Londons.
Bei künftigen Erhebungen werden die Londoner Bürger eine weitaus größere Auswahl haben. Denn die englische Hauptstadt hat sich offenbar Dubai und Manhattan als Vorbilder auserkoren: Vor allem am Ufer der Themse im Osten soll in den kommenden Jahren eine Wand aus Beton und Glas entstehen.
Londons Bürgermeister Boris Johnson findet, der Bau in die Vertikale löse das Problem Wohnraum- und Büromangel. Er versprach bereits im vergangenen Jahr: "Überall werden Hochhäuser wachsen."
Endgültig vorbei sind die Zeiten, als die Kuppel der St.-Paul's-Kathedrale das Maß aller Höhen war und der Big Ben das Stadtbild geprägt hat. Doch die Entwürfe, die die neue Ausstellung "London's Growing Up" zur künftigen Skyline der Stadt enthüllt, lassen Stadtplaner und Architekten aufschrecken. 236 neue Gebäude mit mehr als 20 Stockwerken sind geplant oder befinden sich bereits im Bau, gab ein Bericht der Architektur-Denkfabrik New London Architecture (NLA) bekannt.
Boom der Hochhäuser
"Die Londoner Skyline ist außer Kontrolle", schrieben daraufhin 80 Architekten, Stadtplaner, Künstler und Ingenieure in einem offenen Brief. Viele der Wolkenkratzer seien ungeheuer markant und ohne Rücksicht auf ihre unmittelbare Umgebung und das Aussehen auf die Skyline geplant. Deren gewöhnliche Entwürfe bedrohten den einzigartigen Charakter und die Identität Londons. Die Unterzeichner des Briefs sind sich jedenfalls einig: "London, eine der großartigsten Städte der Welt, verdient Besseres." Sie bemängelten einen "schockierenden Mangel" an öffentlichem Bewusstsein oder Debatten.
Auch der Direktor der NLA, Peter Murrey, kritisierte ein fragmentiertes Planungssystem und fordert eine "Skyline-Kommission", die die Gesamtheit der Hochhaus-Entwicklung überblicke und deren Auswirkungen einschätzen könne.
Der Boom der Hochhäuser wirft seine Schatten auf die Themse. Dabei hat er viele Gründe. Dienten Wolkenkratzer früher vor allem als Orte für Büros, sind bei den neuen Gebäuden rund 80 Prozent für Wohnungen gedacht. Denn die Grundstückspreise in der Metropole steigen Monat für Monat, Wohnraum wird zunehmend knapper, gleichzeitig kommen Makler kaum hinterher, die immense Nachfrage nach Luxusimmobilien zu bedienen.
Vermarktung im Ausland
Insbesondere reiche Chinesen, Araber und Russen stecken ihre Millionen in Londoner Wohnbauten. Dementsprechend werden viele Immobilien auch nicht mehr in Großbritannien vermarktet, sondern stehen nur ausländischen Investoren zur Verfügung.
So werden die meisten Londoner niemals in einem der modernen Türme wohnen, weil es schlichtweg zu teuer ist. Trotzdem hat der Großteil nichts gegen das neue Stadtbild. Lediglich 32 Prozent der Menschen finden, es gebe zu viele Hochhäuser. Bürgermeister Johnson wird diese Umfrage sicherlich gefreut haben.