![]()
Mosbach. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen begann gestern Morgen vor dem Mosbacher Landgericht der Prozess im Fall des zweifachen Tötungsdelikts vom 25. Februar in Neckarelz (die FN berichteten).
Das große Aufgebot von Polizei und Justizbeamten erwies sich dabei als angebracht. Denn die Atmosphäre im Gerichtssaal und davor war sehr angespannt. Während der Verhandlung gegen den mutmaßlichen Doppelmörder, einen 52-jährigen Familienvater türkischer Staatsangehörigkeit, kam es zu zwei Zwischenfällen, die ein Eingreifen der Sicherheitskräfte notwendig machten.
"Niedrige Beweggründe"
Wie Oberstaatsanwalt Franz-Josef Heering zu Beginn der Verhandlung betonte, werde dem Mann Mord in zwei Fällen vorgeworfen. Beide Taten seien aus Wut und Hass erfolgt. Das Mordmerkmal der "Niedrigen Beweggründe" sei erfüllt.
Der Anklage zufolge war der 52-Jährige am Abend des 25. Februar in seiner Wohnung in Neckarelz ("In der Heinrichsburg") infolge eines Streits mit einem Küchenmesser auf seine 48-jährige Ehefrau losgegangen. "Im Glauben, seine Frau habe ein intimes Verhältnis mit einem Nachbarn, hat er mit der 20 Zentimeter langen Klinge fünfmal zugestochen. Vier Stiche davon gingen in die Herzgegend", so Heering. Die Frau sei noch am Tatort gestorben.
15 Messerstiche
Durch die lauten Schreie und das Gepolter in der Wohnung sei der Nachbar, der nach Vorstellung des Angeklagten ein Verhältnis mit der Frau hatte, zu Hilfe geeilt und habe an der Tür geklingelt. Unmittelbar nach dem Öffnen sei auch er mit dem Messer attackiert worden. "Der vermeintliche Nebenbuhler wurde mit 15 Messerstichen getötet.""Das stimmt nicht. Ich wollte nicht töten", äußerte sich der Angeklagte zu den Vorwürfen und schilderte anschließend seine Sicht der Dinge. Seine Frau habe in den vergangenen Jahren immer mehr Abstand zu ihm genommen. Gleichzeitig sei der verheiratete Nachbar regelmäßig bei der Familie ein- und ausgegangen. Der 33-Jährige sei schuld an allem. "Ich habe ihn mehrfach darum gebeten, den Kontakt zu meiner Ehefrau abzubrechen." Weil er ihr nicht traute, habe er sie schließlich überwacht, sei ihr überall hin gefolgt und habe sie mit einem versteckten Mobiltelefon abgehört.
Am 25. Februar sei die Situation dann eskaliert, und infolge eines heftigen Streits mit seiner Frau habe er zum Messer gegriffen und zugestochen.
"Dann hat es an der Tür geklingelt. Als ich geöffnet habe wurde ich sofort geschlagen und getreten. Ich hatte das Messer noch in der Hand und habe zugestochen. Ich bedauere das sehr. Wäre er doch bloß nicht gekommen", so der Angeklagte.
Zwischenzeitlich war die Verhandlung aus Sicherheitsgründen ein erstes Mal unterbrochen worden, da sich vor dem Gerichtssaal offenbar eine Eskalation anbahnte. Zur Klärung der Situation holten Kriminalbeamte den Sohn des Täters aus dem Gerichtssaal. Zuschauer und Pressevertreter durften den Saal nicht verlassen.
Nach dieser "Pause" begann die Zeugenvernehmung. Zunächst sagte der Hausarzt des mutmaßlichen Mörders aus, dass dieser in der Vergangenheit wegen psychischer Probleme (schizophrene Tendenzen) behandelt wurde, beim letzten Kontakt im Februar jedoch einen "sehr stabilen Eindruck" gemacht habe.
Der 26-jährige Sohn des Täters, der zusammen mit seiner älteren Schwester auch als Nebenkläger auftrat, belastete seinen Vater anschließend schwer: Die Spannungen zwischen dem Ehepaar seien ausschließlich von ihm ausgegangen. Er sei unberechenbar gewesen und von der einen auf die andere Minute aggressiv und böse geworden. "Ich schneide Dir die Kehle durch", habe er regelmäßig der verängstigten Mutter gedroht. In den letzten Jahren spitzte sich die Situation immer weiter zu. Schließlich habe er sich eingebildet, seine Frau betrüge ihn mit dem Nachbarn. "Er war ein guter Freund und außerdem selbst verheirateter Familienvater", so der 26-Jährige.
Das Gegenteil sei der Fall gewesen, erläuterte die Tochter des Angeklagten im Zeugenstand. Die Ehe sei vor allem in die Brüche gegangen, "weil der Vater fremdging". Außerdem habe er sich wie ein Herrscher verhalten und die ganze Familie - vor allem aber die Mutter - unterdrückt. Darüber hinaus habe es immer finanzielle Probleme gegeben, weil der Vater alles Geld in Spielhallen verschleuderte.
"Zuhause war die Hölle""Meine Mutter hat sich nur noch vor ihm geekelt. Und sie hatte große Angst vor ihm. Trotzdem hat sie alles ertragen und alles für ihn gemacht", so die 31-Jährige. Bei ihrem Vater hätten Frauen keine Rechte gehabt. Dabei habe er nach außen den netten und charmanten Mann gegeben. "Zu Hause war die Hölle. Was Liebe ist, weiß er gar nicht."
Nach dieser Aussage kam es zu einem weiteren Zwischenfall: Als die Ehefrau des getöteten Nachbarn eintrat, ging sie sofort auf den Angeklagten los und schlug auf ihn ein. Polizisten trugen sie aus dem Saal. Zahlreiche weitere Beamte samt Schutzhund sicherten den Bereich.
Nach einer weiteren Unterbrechung konnte die Frau dann vernommen werden: Sie sei am Tattag ebenfalls zur "Wohnung, aus der die Schreie kamen" geeilt. Der Angeklagte habe ihren Mann sofort in die Wohnung hineingezogen. "Er wollte sie beide töten - das war Mord. Und ich glaube, er wollte auch mich und die Kinder umbringen, aber dann kam die Polizei", so die 31-Jährige.
Nach der Tat "beinahe gelassen"
Wie ein Kriminalbeamter schilderte, wirkte der mutmaßliche Mörder unmittelbar nach der Tat "beinahe gelassen". Bereitwillig habe er den Beamten gezeigt, wie er auf die Opfer eingestochen hatte und sogar Scherze gemacht.
Gutachter Dr. Hartmut Pleines, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (Heidelberg), betonte, dass der Täter zwar in der Vergangenheit Symptome einer Schizophrenie gezeigt habe, zum Tatzeitpunkt aber "keine akute Krankheitsaktivität" vorlag. Die Steuerungsfähigkeit des Mannes sei deshalb nicht beeinflusst gewesen.