Quantcast
Channel: FNWeb
Viewing all articles
Browse latest Browse all 15453

Hamburger Ärzte wollen Ebola-Kranken retten

$
0
0
Seit Monaten wütet das Ebola-Virus in Westafrika. Jetzt wurde erstmals ein Patient zur Behandlung nach Deutschland geflogen. Der Epidemie-Experte hatte sich in einem Labor angesteckt. Hamburg sieht sich für die schwierige Behandlung gut gerüstet. Als Menschen in weißen Schutzanzügen um kurz vor halb elf am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel aus einem Spezial-Jet steigen, ist klar: Zum ersten Mal seit dem Ebola-Ausbruch in Westafrika ist ein Patient mit dem hochgefährlichen Virus in Deutschland gelandet. Ein Konvoi aus Feuerwehr- und Polizeiwagen fährt am Geschäftsfliegerzentrum an das graue Flugzeug mit der schwarzen Nase heran und bringt den Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ein spezielles Behandlungszentrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Um jegliche Ansteckung zu vermeiden, übernimmt ein Infektionsrettungswagen der Feuerwehr den Krankentransport. Zwei Feuerwehrleute tragen eine orangefarbene Schutzmontur, auf dem Kopf eine Haube mit Atemfilter, an den Füßen besondere Schuhe. "Sie sind von der Außenwelt abgeschirmt", sagt Sprecher Martin Schneider. Hermetisch abgeschirmt Auch im UKE ist der Ebola-Patient hermetisch isoliert: Das Zentrum für hochansteckende oder lebensbedrohliche Erkrankungen, in dem er betreut wird, ist von der übrigen Patientenversorgung baulich getrennt. Die Sonderisolierstation - drei Behandlungszimmer mit insgesamt sechs Betten - hat ein eigenes Schleusensystem, durch den Unterdruck kann Luft nicht nach draußen gelangen. "Eine Ausbreitung des Virus ist dadurch ausgeschlossen", betont das UKE. Ärzte und Pflegepersonal sind in der Versorgung von Infektionskrankheiten besonders geschult. Die Behandlung ist für die Helfer schon körperlich sehr belastend: "Die Arbeit in den Schutzanzügen ist extrem anstrengend", sagt der behandelnde Tropenmediziner Stefan Schmiedel. Die Anzüge und auch alle anderen Gebrauchsgegenstände werden nach UKE-Angaben nach der Verwendung sterilisiert und verbrannt. In Deutschland gibt es acht Zentren, die Patienten mit hochgefährlichen Erregern betreuen. Dass der Ebola-Erkrankte in Hamburg gelandet ist, liegt wohl am hervorragenden Ruf des UKE und des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. Bereits vor gut vier Wochen hatte die WHO bei der Klinik angefragt, ob ein an Ebola erkrankter Mitarbeiter einer Gesundheitsorganisation dort betreut werden könnte. Der Arzt starb jedoch, bevor er zur Behandlung nach Deutschland geflogen werden konnte. Jetzt ist die Situation anders: Der Ebola-Patient, der gestern in Hamburg eintrifft, kann sogar selbst das Flugzeug verlassen - natürlich in einem Schutzanzug. Wie es dem Mann geht, will das UKE wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht sagen. Nach Schmiedels Ansicht ist er aber "in einem Zustand, der tatsächlich auch hoffen lässt, dass er von unseren therapeutischen Optionen profitieren kann". Das UKE könne ihn auch über einen längeren Zeitraum betreuen. Und wie sieht die Therapie aus? Was Schmiedel ankündigt, klingt recht unspektakulär: Statt auf experimentelle Medikamente setzen die Mediziner zunächst auf eine unterstützende Behandlung ("supportive care"). Eine solche Basisversorgung - etwa Schmerztherapie, Fiebersenkung und Flüssigkeitsmanagement - könne nach seiner Ansicht die Sterblichkeit deutlich senken. Trotz intensiver Forschung gibt es bisher weder eine zugelassene Impfung noch ein Heilmittel gegen Ebola. Der WHO-Mitarbeiter, ein Epidemie-Experte aus dem Senegal, hatte sich nach Angaben der WHO in einem Labor in Sierra Leone infiziert. Die Organisation ist besorgt, denn in Sierra Leone, Guinea, Liberia und Nigeria haben sich medizinische Helfer in beispiellosem Ausmaß mit Ebola angesteckt: Mehr als 240 Ärzte, Pfleger und andere Helfer infizierten sich, von ihnen starben mehr als 120. Tropenmediziner Schmiedel betont, der Ebola-Kranke sei in Hamburg, um geheilt zu werden: "Dieser Patient ist kein Forschungsobjekt." Von ihm gehe auch keine Gefahr für die Bevölkerung aus, erklärt der Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, Rico Schmidt. Das Virus sei zwar hochgefährlich, aber nicht hochansteckend: Übertragen wird der Erreger durch Blut oder andere Körperflüssigkeiten. Eine Übertragung durch die Luft dagegen, so das UKE, sei "nicht vorstellbar". Unterdessen übte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen scharfe Kritik an der internationalen Reaktion auf die Epidemie. "Es ist einfach unannehmbar, dass fünf Monate nach der Feststellung dieses Ebola-Ausbruchs erst jetzt ernsthafte Diskussionen über die internationale Führung und Koordination beginnen", sagte Brice de le Vingne, der Leiter der Hilfsoperationen. Demnach breitet sich die Epidemie in Teilen Liberias massiv aus, auch in der Hauptstadt Monrovia. Die Situation sei extrem chaotisch, es gebe kaum Hilfsprojekte, teilte die Organisation mit. "Die Zahl der Patienten, die wir sehen, übertrifft alles, was wir von früheren Ausbrüchen kennen", sagte die Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Monrovia, Lindis Hurum. "Das ist nicht nur ein Ebola-Ausbruch - es ist ein humanitärer Notfall und erfordert eine ausgeprägte humanitäre Reaktion." Schulen geschlossen Nigeria beschloss, alle Schulen bis mindestens Mitte Oktober geschlossen zu lassen. Zudem müssten Ferienprogramme in Schulen sofort abgebrochen werden, ordnete Erziehungsminister Ibrahim Shekarau an. Die Fluggesellschaft Air France KLM kündigte an, ab heute ihre Flüge nach Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, auszusetzen. Damit folgte das Unternehmen einer Aufforderung der französischen Regierung.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 15453