Quantcast
Channel: FNWeb
Viewing all articles
Browse latest Browse all 15453

Natur als ewiger Jungbrunnen für Körper und Geist

$
0
0
"Die Natur ist die beste Apotheke" - das wusste schon Sebastian Kneipp. Wissenschaftler bestätigen jetzt, dass Bewegung in der Natur Stress, Ängste und Depressionen abbaut - und glücklich macht. Der Waldweg mit den flatternden Lichtflecken aus Sonnenlicht und Blätterschatten lichtet sich, wird nach einer Biegung zum Wiesenpfad im warmen Sonnenschein. Still ist es hier nur wenige Meter abseits des Fernwanderwegs vom Hohen Venn bis zur Mündung der Ahr in den Rhein. Weit kann der Blick über die Eifelhöhen schweifen, ein grünes Auf und Ab von Tälern, Wiesen, Berghängen und Kuppen mit dunklem Nadelwald und Mischwald in allen Grüntönen. Dem Spaziergänger, der hier innehält, um die Aussicht zu genießen, wird es wohl egal sein, dass die Szenerie die allgemeingültigen Kriterien erfüllt, die laut Naturpsychologen weltweit Menschen eine Landschaft als schön empfinden lassen. "Deutsche Mittelgebirge gehören zu den objektiv schönsten Landschaften der Welt", erklärt der Marburger Natursoziologe Rainer Brämer. Die Vorliebe für solche savannenähnlichen Landschaften erklären Psychologen aus unserer evolutionären Entwicklung. Demnach fühlen wir uns auch heute noch wohl mit dem schützenden Wald im Rücken und überschaubarer Umgebung ohne Bedrohung und mit spannungsreichem Raumeindruck, der einlädt zur Erkundung der lebenswichtigen Ressourcen. Erkundet werden will das Ungewisse, ein gekrümmter Weg, dessen weiterer Verlauf nicht sichtbar ist zum Beispiel. Diese Ungewissheit weckt Neugier und verheißt, Unbekanntes zu entdecken und Rätselhaftes zu erforschen. Wenn dabei keine Gefahr droht und hinter der Bergkuppe oder der Biegung Schönes oder Spannendes wartet, kann einem vor Freude plötzlich "das Herz aufgehen", sich im Körper Ruhe und Entspannung ausbreiten und der Ausblick auf eine Landschaft eine gelassene Neugier wecken. "Nach Erkenntnissen der Naturpsychologie übt bereits eine Naturlandschaft als solche, insbesondere aber eine ästhetisch schöne Landschaft einen Effekt auf die Stimmung und geistige Frische von stressgeschädigten Personen aus", sagt Brämer. Ein vages Glücksempfinden stellt sich ein. Die Hirnforschung erklärt das damit, dass dann tief im Mittelhirn der für Glückserlebnisse wichtige Botenstoff Dopamin produziert und direkt ins Frontalhirn weitergeleitet wird. "Wie man heute weiß, feuern diese Neuronen dann, wenn ein Ereignis besser ist als erwartet", erklärt der Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer. Spitzer: "Unser Gehirn macht selbst opiumähnliche Botenstoffe, die Endorphine, aus dem Dopamin und wenn das im Frontalhirn ausgeschüttet wird, dann macht dies - Spaß!" Bewegung stimuliert Nervenzellen Das Dopamin bewirkt, dass das Gehirn besser funktioniert, man kann besser denken und besser lernen. Dieses System hat die Aufgabe, die vielen Informationen zu bewerten und zu vergleichen. "Solange alles nach Plan läuft, also nichts geschieht, was wir nicht schon wissen, tut dieses Modul nichts", erläutert Spitzer. "Geschieht jedoch etwas, das besser ist als erwartet, dann feuert das Modul." Wir werden wach, aufmerksam, wenden uns dem Ereignis zu und verarbeiten die Informationen besser. "Das Wichtigste: Wir lernen besser - vor allem, was gut für uns ist." Moderate körperliche "Bewegung stimuliert die Neubildung von Nervenzellen und fördert die für Lernvorgänge wichtige Bildung von Synapsen", ergänzt seine ehemalige Kollegin Sabine Kubesch. Moderate Bewegung in der Natur macht nicht nur froh, hilft gegen Stress, Ängste und Depressionen, sie beugt laut einer Grundlagenuntersuchung der Bundesregierung auch Diabetes, Herz-Kreislaufkrankheiten, Fettleibigkeit, Rheuma und Arthrose vor, lindert Venenleiden, stärkt Muskeln, Knochen, Gelenke und Bänder, steigert Kraft, Ausdauer und körperliche wie geistige Leistungsfähigkeit und unterstützt die Krebstherapie. "Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass der Blick über eine weiche, hügelige Landschaft Herzschlag und Blutdruck messbar senkt und damit zum Wohlbefinden beiträgt", erklärt Silvia Schäffer von der Universität Bonn. "Krankenhaus-Studien belegen, dass schon der Blick auf einen Baum vor dem Zimmer der Patienten ihren Bedarf an Schmerzmitteln senkt und ihre Verweildauer verkürzt." Bewegt man sich durch die Natur aus eigener Körperkraft und mit niedriger Intensität, aber regelmäßig und ausdauernd, stellen sich zahlreiche positive physische und psychische Effekte ein. Wanderkur stärkt Immunsystem In Österreich durchgeführte Studien an Personen mit metabolischem Syndrom, also Übergewicht, Diabetes, erhöhten Blutfetten oder Bluthochdruck, belegen beispielsweise nach einem dreiwöchigen Wanderurlaub sowohl im Berg- als auch im Flachland, dass Gewicht, Blutdruck und Puls sanken, sich die Cholesterinwerte, der Blutzucker-Stoffwechsel und die Sauerstoff-Abgabe an das Gewebe verbesserten, der oxidative Stress sank und Schlafqualität und Stimmung stiegen. Es zeigte sich, dass die Wanderkur nachhaltig das Immunsystem stärkt, den Stoffwechsel normalisiert, den Herzmuskel trainiert, die Durchblutung der Lunge optimiert, das Risiko für Gefäßverschlüsse verringert, die Nährstoffversorgung des Gehirns deutlich verbessert und schließlich doppelt so viel Fett verbrennt wie eine sitzende Tätigkeit. Unter dem Begriff "Therapeutische Landschaften" werden diese gesundheitsfördernden und heilenden Effekte, die das Erleben der Natur mit allen Sinnen auslöst, verstärkt bei begleitender Behandlung, Prävention oder Rehabilitation der unterschiedlichsten Erkrankungen eingesetzt - sei es Nordic Walking im traditionellen Kurpark, die Arbeit im "Heilenden Garten" oder "Therapeutisches Wandern". "Menschen sind für ein Leben in der Natur konstruiert", sagt Fritz Neuhauser, Leiter des Gartentherapieprojekts im Geriatriezentrum Wienerwald. "Raus in den Garten" heißt dort die Devise. In der Natur erleben wir eine Dimension der Welt, an die der Mensch seit dem Beginn seiner Evolution angepasst ist. Nach einem Unfall, Schlaganfall oder Herzinfarkt, bei Krebs oder Stoffwechsel- und Herz-Kreislaufstörungen und bei psychischen Krankheiten wie Depression, Ängsten oder Suchtentwöhnung beschleunigt der Kontakt zur Natur den Heilungsprozess. "Wir setzen zum Beispiel die Gartentherapie erfolgreich in der Gerontopsychiatrie, bei Alzheimer-Demenz und Parkinson, ein." Natur wirkt nicht nur bei Kranken und Alten positiv auf Körper und Psyche. Ohne die Reize einer natürlichen Umwelt verarmen unsere Sinne, es entsteht Stress und der ist ungesund. "Natur ist das beste Antidepressivum, schon nach ein bis zwei Minuten Aufenthalt im Freien steigt die Stimmung, die Hirnströme laufen messbar synchroner, die Konzentrations- und Assoziationsfähigkeit steigt, Stresshormone werden abgebaut, die Muskeln entspannen, der Blutdruck sinkt um rund zehn Prozent, der Puls wird ruhiger und der Stoffwechsel angekurbelt. Kurz: Natur schont das Getriebe", sagt Neuhauser. "In seiner Evolution ist der Mensch in jeder Feinheit auf ein Leben in der Natur abgestimmt, für ein Indoor-Leben sind wir nicht konstruiert." Banale Alltagsaktivität hilft Der positive Effekt von körperlichen Aktivitäten in der Natur ist tatsächlich schon bei moderater Bewegung nachgewiesen. Günther Samitz, Bewegungswissenschaftler an der Universität Wien, wollte mehr über die Dosis-Wirkung-Beziehung wissen und hat diesen Effekt anhand einer Übersichts-Studie mit mehr als 1,3 Millionen Teilnehmern untersucht. Sein Fazit: "Jede körperliche Aktivität ist besser als keine. Selbst banale Alltagsaktivitäten bewirken einen Überlebensvorteil." Weil das so ist, nutzen neuerdings viele Kliniken und Kureinrichtungen die Bewegung in der Natur als gezielte Therapie. So überrascht nicht: Deutschlands Wanderbevölkerung wächst jährlich um zwei bis drei Prozent. Laut Deutschem Wanderverband wandert jeder zweite oder 40 Millionen Deutsche. Nicht mitgezählt all jene, die sich einfach nur gerne in der Natur aufhalten, ohne es wandern zu nennen. Jeder Schritt zählt!

Viewing all articles
Browse latest Browse all 15453

Trending Articles