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Viel Aufregung, wenig Klarheit: Die Diskussionen über die Doping-Vergangenheit in der Bundesrepublik werden hitziger. Das Innenministerium und der Deutsche Olympische Sportbund sehen sich sogar Vorwürfen der Verschleppungstaktik ausgesetzt.
Der deutsche Fußball wurde für seine Mauertaktik kritisiert, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich und DOSB-Präsident Thomas Bach mussten sich Vorwürfe der Verschleppung und Verwirrungsstrategie gefallen lassen. Am Tag nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts über die Doping-Praktiken in der Bundesrepublik wurde die Diskussion über Konsequenzen immer hitziger. Forderungen nach Namensnennung, einem Anti-Doping-Gesetz und strafrechtlicher Aufklärung wurden laut.
Die Ankündigung des Deutschen Olympischen Sportbundes, eine unabhängige Kommission einzusetzen, verschafft Friedrich und Bach erst mal Zeit. Mit Empfehlungen dieser Gruppe ist vor 2014 nicht zu rechnen. So kann sich Friedrich auf die Bundestagswahl konzentrieren - und Bach auf den Endspurt im Kampf um den IOC-Thron. Negativfolgen erwartet Bach nicht: "Meine IOC-Kollegen wissen, dass ich die Studie selbst initiiert habe. Ihnen ist meine Null-Toleranz-Politik gegen Doping seit Jahrzehnten bekannt." Politik und Sport müssen sich viele Fragen gefallen lassen. Wer waren die Profiteure des staatlich geduldeten und steuerfinanzierten Dopings in der Bundesrepublik, wer die Opfer? Welche Strippenzieher sind noch heute wo im Amt? Was fehlt in dem Abschlussbericht? Zudem ist dieser offenbar mehrere Hundert Seiten kürzer und enthält weniger Namen als der bereits im März 2012 fertiggestellte Zwischenbericht.
"Es müssen Ross und Reiter genannt werden", verlangte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und mahnte die Veröffentlichung der zurückgehaltenen Langfassung an.
Besonders sensibel reagierte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auf Passagen der Studie, nach denen bei der WM 1966 "bei drei deutschen Fußballern am Ende des Turniers 'feine Spuren' Ephedrin nachgewiesen wurden". Dabei habe es sich "sportrechtlich um Dopingvergehen" gehandelt, heißt es in der vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) geförderten Forschungsstudie. Die FIFA habe damals "keinen der genannten Spieler wegen Dopings verurteilt oder gesperrt", betonte DFB-Vize Rainer Koch. Er widersprach der Darstellung der Wissenschaftler aus Münster, der DFB habe einen Archiv-Zugang nur zu "letztlich inakzeptablen Auflagen" gewährt.
Kaum Interpretationsspielraum
Obwohl in dem Bericht viele alte Fakten wiederholt wurden, lassen die Erkenntnisse wenig Interpretationsspielraum zu: Ausgiebige Forschungen über die Wirkungsweise von Blutdoping seit Beginn der 80er Jahre, Tests an Radsportlern und Hockey-Spielern mit dem Kälberblutmittel Actovegin - auch der renommierte Doping-Fahnder Manfred Donike geriet ins Zwielicht. Der verstorbene, ehemalige Leiter des Kölner Instituts für Biochemie soll vor Olympia 1984 bei Absicherungskontrollen im deutschen Team zurate gezogen worden sein.
Doping-Experte Werner Franke machte sich für eine strafrechtliche Aufklärung des westdeutschen Dopingprogramms stark. "Wieso wurde etwas bei DDR-Tätern bestraft, aber nicht bei west- oder gesamtdeutschen Tätern?", fragte er im Nordwestradio. dpa