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Im Inselstreit im Ostchinesischen Meer droht eine Eskalation. China schickt Kampfjets in das strittige Seegebiet. Der Ruf nach einer harten Hand gegen Japan wird lauter. Tokio will "ruhig und standhaft" bleiben.
Erst verhielten sie sich ruhig. Sprachen von "wirksamer Kontrolle", von "Beobachtung" und "Identifikation der Objekte". Eine geradezu milde Reaktion der Chinesen, die das Selbstbewusstsein entdecken und ihre Zeit als neue Hegemonialmacht im Pazifik gekommen sehen. Gut angekommen war das nicht bei allen im Land. Also ließ Chinas Verteidigungsministerium in der Nacht zu Freitag Kampfjets über das Ostchinesische Meer steigen, auch Radarfrühwarn-Flugzeuge überflogen die Region. Es versetzte seine Volksbefreiungsarmee in Alarmbereitschaft und ließ die offiziöse Presse von "fast wie im Kalten Krieg" schreiben. "Unser oberstes Ziel ist es, Japans Willen zu brechen und seinen Plan, gegen China zu hetzen, zu zerstören", polterte die nationalistische "Global Times" gestern. Martialische Worte sind das, was als "gewöhnlich" und "Routine" begonnen hatte.
Respektloses Piesacken
Gewöhnlich aber ist im Himmel über den fünf unbewohnten Inseln, die die Chinesen Diaoyu nennen und die Japaner Senkaku, längst nichts mehr. Seit dem Wochenende ist der Streit um die Felsen, auf die beide Länder Anspruch erheben, nur noch größer und unberechenbarer geworden. Denn seit Samstag gibt es die ADIZ - eine Abkürzung, die mit allem, was dahinter steckt, die Regierungen in Washington, Tokio, Seoul und Taipeh mächtig ärgert, weil China sich im respektlosen Piesacken versucht. Das aber genauso frech bestreitet.
Die ADIZ ist die englische Bezeichnung für eine Luftverteidigungszone. Die Anordnung der Chinesen ist klar formuliert: Jedes Flugzeug, egal ob Passagier- oder Militärmaschine, soll sich in diesem - nun eigenem chinesischen Luftraum - ausweisen und die Flugdaten direkt an die chinesischen Streitkräfte übermitteln. Sonst drohen "defensive Notmaßnahmen". Eine Frechheit finden das die Japaner und mit ihnen ihr militärischer Bündnispartner, die USA.
Auch Südkorea und Taiwan haben ihr Missfallen ausgedrückt. Sie alle ignorieren die Vorgaben aus Peking. Deshalb auch die US-Bomber, die die Zone Anfang der Woche unangemeldet überflogen, deshalb auch die japanischen und die südkoreanischen Flieger am vergangenen Donnerstag. "Ruhig und standhaft" wolle man sein, hieß es aus Tokio. Doch der Nationalismus ist geweckt, auf allen Seiten. Vor allem im Internet hagelt es harsche Worte. Chinesen werfen den "japanischen Marionetten" Arroganz vor, Japaner sehen in den Chinesen "aufgeplusterte Hühner". Recht wollen sie alle haben.
Auf der Welt gibt es mehr als 20 Luftverteidigungszonen. Auch Japan hat eine solche Zone, seit den 1960er Jahren bereits. Diese überlappt sich nun mit der neuen chinesischen Zone, was Tokio noch mehr in Rage bringt. Auch die USA haben vor ihrer Küste eine ADIZ, sehen aber freilich einen großen Unterschied zu der chinesischen Version. Denn bei den Amerikanern müssen sich nur solche Flugzeuge identifizieren, die tatsächlich amerikanischen Boden ansteuern.
Polternd und aggressiv
Internationale Regeln, welche Bedingungen solche Zonen aufweisen müssen, gibt es nicht. Schon allein deshalb sieht sich China im Recht. "Wenn es um die Rücknahme der Entscheidung geht, soll Japan seine Zone zuerst aufgeben. Wir können damit noch 44 Jahre warten", sagte ein Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums gestern. Peking testet höhnisch seine Macht aus. Es kann es sich vermeintlich leisten, vor allem gegen Tokio. Denn während Japan eine immer weiter absteigende Macht ist, verhält es sich bei China genau umgekehrt - es strebt auf die Weltbühne, immer wieder polternd und aggressiv.
Der chinesische Militärexperte Xing Hongbo wirft in der offiziösen "China Daily" all den Kritikern "doppelte Standards" vor, es ist die Lieblingsbezeichnung der Chinesen, wollen sie vor allem Anmerkungen aus dem Ausland zurückweisen. "Als alle anderen ihre Zonen eingerichtet haben, äußerte sich niemand, es hat sich niemand rechtfertigen müssen", schreibt die Zeitung. "Wir aber sollen ,zündeln', ,destabilisierend' und einfach nur ,gefährlich' sein!" Es klingt empörend und beleidigt zugleich. Nach Meinung von Experten haben die Chinesen freilich das Recht, eine solche Zone einzurichten. Der Zeitpunkt aber sei nicht geschickt.
China kämpft um Gleichberechtigung und stößt seine Partner immer wieder vor den Kopf. Chinas neuer Präsident Xi Jinping spricht zwar von einem "friedlichen Aufstieg", doch provokative Handlungen und das Anfachen nationalistischer Kräfte im Inneren versetzt die Nachbarn in Alarmbereitschaft. Schrill und rechthaberisch suchen die Chinesen ihre Rolle, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen: als neue Architekten der Sicherheitspolitik. Also schaffen sie Fakten.
Die umstrittene Inselgruppe - fischreich und ölreich in der Tiefe - sieht China als sein Eigentum an. Auch im Südchinesischen Meer ficht es Inselkämpfe aus, wenn auch nicht mit Japan. "Tokio sollte über seinen Fehler nachdenken, Diaoyu vor mehr als 40 Jahren in seine Zone einbezogen zu haben, anstatt Panikmache zu betreiben", schreibt Xing Hongbo. Es ist ein klares Zeichen dafür, dass China mit der ADIZ nur eines wollte: den Japanern deutlich machen, dass die Inseln unwiederbringlich chinesisches Eigentum sind. Der Streit geht weiter.