Die erste Premiere des jetzt unter der Leitung von Angelika Relin stehenden Torturmtheaters Sommerhausers galt der Erstaufführung eines Zwei-Personen-Stücks des amerikanischen Autors, Regisseurs und Produzenten Neil LaBute.
Bei der Uraufführung von "In a forest, dark and deep" vor zwei Jahren im Vaudeville Theatre in London führte der Autor selbst Regie. In der jetzt in Sommerhausen, in der deutschen Übersetzung von Frank Heibert, von Joosten Mindrup inszenierten Erstaufführung heißt das Stück "Tief in einem dunklen Wald". Damit ist nicht nur der Ort der Handlung angegeben, sondern auch schon etwas über den Inhalt gesagt. Schauplatz ist eine Hütte mitten im Wald, die einer der zwei Personen als Liebesnest gedient hat und nun von Betty, der Bewohnerin, und ihrem Bruder Bobby ausgeräumt wird, nachdem Bettys Freund radeln gegangen und gestorben ist.
Im Lauf des rund 80-minütigen Geschehens lernt man nicht nur die in Hassliebe verbundenen Geschwister und ihr Leben näher kennen, man erfährt auch einiges über Bettys Vorleben. Betty hat es inzwischen zur Professorin gebracht, Bobby ist Schreiner. Schon als junges Mädchen verdrehte sie Männern den Kopf, bevor sie Bruce heiratete und Kinder bekam. Doch auch danach genügte ihr Bruce allein nicht.
So freundete sie sich mit einem jungen Doktoranden an, bis sie erkennen musste: "Ich habe ihn geliebt und er hat mich benutzt. Ich war für ihn eine Fußnote". Dann zog sie die Konsequenz aus dieser Erkenntnis. Das alles gesteht sie scheibchenweise ihrem Bruder, der in sie dringt und ihr Vorhaltungen aus der Vergangenheit und Gegenwart macht. Dabei bedienen sich die zwei, der mit beiden Füßen, auf dem Boden der Tatsachen stehende Bobby und die in vermeintlich geistig höheren Sphären schwebende, von ihrem sexuellen Verlangen gesteuerte Betty, einer derben Sprache, in der "Scheiße" sozusagen am Fließband, vorkommt.
So ist "Tief in einem dunklen Wald" einerseits ein tiefenpsychologisch fundiertes, andererseits ein spannendes, sich im Lauf des Geschehens immer mehr zum Krimi entwickelndes, in der Diktion in jeder Beziehung modernes Theaterstück.
Angelika Relin, die neue Chefinim Torturmtheater Sommerhausen, betätigt sich als Bühnenbildnerin. Ein mit einem Sofa, einem mit Lebensmitteln gefüllten Büfett, Regalen für viele Bücher, die Betty und Bobby in Schachteln zum Abtransport verpacken, zwei Barhocker, ein dazu passender Tisch und etliche Getränkeflaschen machen das Liebesnest-Milieu aus. In ihm setzt Joosten Mindrup die Geschichte einer sich immer mehr öffnenden Blüte gleich in Szene, so dass die Spannung bis zum Ende wächst. Eva Mannschott ist die auf Reputation bedachte Betty im grauen Kostüm mit rotem Pulli, Wolfgang Mondon der schon im Äußeren, mit Blue Jeans, kariertem Hemd und Hosenträger einem Handwerker gleichende, bärtige Bobby. Sie spielt hintergründig, mit wechselndem Gefühlsausdruck die vom rechten Weg abgekommene Akademikerin. Er ist der hart zupackende, aber auch durchaus sensible, grundehrliche Handwerker. Zum Schluss bewahrheitet sich der Spruch: "Die Wahrheit tut weh". Dieter Schnabel